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Lüneburger Gruben

geschrieben von Iene Lange im September 2018

Wo einst Salz Gips oder Kalk abgebaut wurde, findet man heute nicht selten grüne Oasen, Gewässer und Biotope mit einer unvergleichlichen Artenvielfalt

Durch den Abbau geologischer Reichtümer wie Salz, Gips, Ton oder Kalk sind im Laufe der Jahrhunderte in der Hansestadt wie auch der Region tiefe Gruben entstanden. Teil­weise wurden sie mit Schutt oder Abfall zugeschüttet. Einige füllten sich mit Grundwasser und tragen heute als Seen zu reizvollen Naturerlebnissen in und um Lüneburg bei.
Schon im Mittelalter entstanden die sogenannten „Schwindgruben“ (Abfallgruben, Kloaken). Hier wurden nicht nur Fäkalien sondern auch sämtliche Abfälle, die im Alltag anfielen, entsorgt. Auch sie wurden später häufig mit Bauschutt aufgefüllt und somit unsichtbar für die Nachwelt. Doch einige von ihnen sind wiederentdeckt und von Wissenschaftlern freigelegt worden. Diese brachten interessante Funde zutage, die wichtige Rückschlüsse auf die Lebenssituation der damaligen Bewohner zuassen.

Der Kalkbruchsee

„Es lächelt der See, er ladet zum Bade …“: Beim Anblick des klaren Kalkbruchsees nahe Volgershall kommt manchem unwillkürlich die Ballade von Schillers Fischerknaben in den Sinn. Obwohl sich das Gewässer – einst eine Kalkgrube – mit seinen Liegewiesen rund um das Ufer ideal als Badesee eignen würde, ist selbiges doch strikt verboten. Wer es dennoch riskiert, muss damit rechnen, von einem Wachdienst samt Hund rüde vom Gelände verwiesen zu werden. Seit etwa 40 Jahren ist der See Eigentum des Lüneburger Angelsportvereins e.V. Wie dessen 1. Vorsitzende Gerhard Krug erzählt, war hier übrigens von jeher das Baden – auch für Vereinsmitglieder – verboten. Viele ältere Lüne­burger erinnern sich noch an Badeerlebnisse in dem klaren Gewässer. Heute ist es lediglich den Tauchsportlern des VfL Lüneburg gestattet, Tauchgänge im See zu unternehmen und die intakte und ungestörte Unterwasserwelt mit ihrem ansehnlichen Fischbestand zu erforschen.
Seit 2006 sah sich der Verein veranlasst, den See grundsätzlich für Badende zur Tabuzone zu machen, nachdem es teilweise an seinen Ufern zu hohem Müllaufkommen, alkoholischen Exzessen und mehr gekommen war. So sind verständlicherweise Anträge, den See für Badegäste wieder zugänglich zu machen, auch seitens der Stadtverwaltung abgelehnt worden.

Der Kreidebergsee

Wiederum aus Sicherheitsgründen ist das Baden im Kreidebergsee verboten. Früher war dieser eine Tongrube, in der später Bauschutt abgeladen wurde, sodass zahlreiche Untiefen entstanden sind. Zur Folge hat dies heute viele Kalt- und Warmwasserströmungen. Dafür entschädigt der See durch seine idyllische Lage nahe der Innenstadt und mit landschaftlicher Schönheit. Mächtige Blöcke aus Kreidegestein reichen bis dicht unter die Wasser­oberfläche und säumen teilweise auch das Ufer. Die hellen Abbruchkanten erinnern gar an die Kreidefelsen von Rügen. Dies wundert nicht, denn vor 27 Mio. Jahren bedeckte noch ein großes Flachmeer zwischen Westeuropa und Westasien auch diese Region. Dieses Urmeer hinterließ jene Fossilien, die heute noch hier gefunden werden können und an die einstigen Meeresbewohner erinnern.
Der Abbau von Kalk und Gips wird schon seit Jahrhunderten vorgenommen, erstmals erwähnt 1398. Seinerzeit trug der Kalkberg den Namen „Krytenberch“,1406 sind an seinem Fuß eine Kalk­brennerei entstanden. Der Kalk wurde für die Herstellung von Wandweiße, für die Produktion von Seife und als Düngerzugabe für Acker- und Gartenböden genutzt.
Heute tummeln sich im salzhaltigen Wasser des Sees viele Fischarten, angefangen von Goldfischen, die hier ausgesetzt wurden und überlebten, bis hin zu heimischen Fischarten wie Hechten, Zander und Schuppen-Karpfen. Dennoch herrscht striktes Angelverbot, um den Artenreichtum zu schützen. Dieser ist nicht zuletzt ein Resultat der Wieder­herstellung einer naturnahen und sinnvollen Bepflanzung sowie der Vermeidung von Abwässern, Dünger, Herbiziden oder gar dem Bootsbetrieb.
Nicht nur Spaziergänger lädt der See zur Rast ein. Auch viele Vogelarten schätzen die intakte Natur. Sogar zum Überwintern lassen sich hier einige Arten nieder, insbesondere Enten; aber auch Möwen und Greifvögel sind beobachtet worden.

Die Sülzwiesen

Dicht unter der Oberfläche dieses Areals, wo heute Platz für parkende Autos und eine Festwiese entstanden ist, liegen die Ablagerungen des 250 Mio. Jahre alten Zechsteinmeers, das einst Mitteleuropa bedeckte. Für Lüneburg bedeutete dies, dass sich hier gigantische Salzstöcke bilden konnten, die später mit dem Abbau des weißen Goldes zum Reichtum der Stadt beitrugen. Erst in den 1960er-­Jahren wurde das Abbaugebiet teilweise mit Bauschutt zugeschüttet. Auslöser waren die zahlreichen Senkungsgebiete, die durch die Salzgewinnung entstanden waren.

Der Schildstein

Wie der Kreidebergsee und der Kalkbruchsee ­quasi als „Nachlass“ des hier abgebauten Rohstoffs entstanden sind, so hätte auch aus dem Schildstein – einem der ehemals größten Gips­brüche der Region – im Laufe der Zeit eine der Lüneburger Gruben werden können. Schon im 12. Jahrhundert wurde dort der Rohstoff unter an­derem für den Bau des Bardowicker Doms gewonnen. Da sich im Untergrund des Schildsteins auch eine Solequelle befand, wurde noch zu Anfang des 20. Jahrhunderts versucht, diese für die Lüneburger Saline nutzbar zu machen, allerdings vergeblich.
Für die Schrebergärtner war dies jedoch ein Glücksfall, denn so konnten die ersten Hobby­gärtner 1935 ihre Gärten anlegen. Seither sind auf dem Gelände rund 250 Parzellen entstanden.

Die Tongrube am Weißen Turm

Tonablagerungen befanden sich vielerorts im heutigen Stadtgebiet Lüneburgs, so auch am Weißen Turm. Hier gab es reiche Tonvorkommen, die über viele Jahre abgebaut wurden und sich aufgrund ihrer Qualität für die Ziegelherstellung eigneten. Ab 2015 wurde das Gelände mit seiner Größe von 8,6 Hektar zum Sanierungsgebiet erklärt. Es entstanden Wohnquartiere mit den markanten „roten“ und „weißen“ Häusern.
Auch an der Ecke Springintgut/Schomakerstraße wurde Ton abgebaut. Die dadurch entstandenen Gruben wurden auch hier später mit Bauschutt und Schlacke verfüllt.(ilg)
Fotos: Hajo Boldt

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