120 Jahre Museum Lüneburg
geschrieben von Prof. Dr. Werner H. Preuss im Dezember 2011VOM „MUSEUM FÜR DAS FÜRSTENTUM LÜNEBURG“ ZUM NEUEN „MUSEUM LÜNEBURG“

Wie eine Raupe zum Schmetterling, so verpuppt
sich gegenwärtig das frühere „Museum
für das Fürstentum Lüneburg“
zum neuen „Museum Lüneburg“. 2014 soll es eröffnet
werden und dann (hoffentlich) als farbenfrohes
Kulturzentrum in die Welt fl attern. Genau
120 Jahre ist das Museum jetzt alt. Das von dem
Architekten Münzenberger-Lichterfelde entworfene
Kerngebäude nahm im April 1891 den Ausstellungsbetrieb
auf. 1908 wurde es um den heute
so genannten „Krügerbau“ erweitert, und zwar
mit großzügiger Unterstützung von Kaiser Wilhelm
II., der Lüneburg 1905 besichtigte und 1908 erneut
die Stadt besuchte. Bei seiner dritten Stippvisite
1913 konnte er schon den zweiten Flügelbau
bewundern, der in diesem Jahr ebenfalls nach
einem Entwurf des Architekten Franz Krüger fertig
gestellt wurde.
Die ausgehobene Grube für den Neubau des Museums
erregt gegenwärtig das Interesse vieler Passanten,
und manche mögen fragen, wie denn das
Gelände vor der Bombardierung am 22. Februar
1945 ausgesehen hat. Die damalige Wandrahmstraße
und heutige Willy-Brandt-Straße ist in
der Tat selten fotografi ert worden. Rechts neben
dem Museum standen bis zur Kreuzung Wohnhäuser,
welche die Häuserreihe an der Schießgrabenstraße
fortsetzten. Die Rückseite zur Ilmenau
wirkte weit weniger repräsentativ.
Während der ältere „Krügerbau“ nach dem 2.
Weltkrieg wieder instandgesetzt wurde, waren die
Beschädigungen des zweiten, größeren Anbaus an
der Wandrahmstraße durch Bombentreffer so
schwer, dass er abgerissen werden musste. Erhalten
ist neben wenigen Fotografi en eine Entwurfszeichnung
Krügers, der lange Jahre auch Leiter
der vorgeschichtlichen Abteilung des Museums war. Im Inneren dieses Flügels gab es neben Ausstellungsräumen
für die kulturhistorischen Abteilungen
in den unteren Stockwerken und für die naturkundliche
Sammlung im zweiten Obergeschoss
auch einen gemeinsam genutzten Hörsaal, denn
das Museum betrachtete man als integralen Bestandteil
des „Lehr- und Bildungswesens“ in Lüneburg,
wie auch die Schulen und die Ratsbücherei.
1970 wurde die Lücke an der Wandrahmstraße
durch einen Neubau nach dem Entwurf des Architekten
Joachim Matthaei geschlossen, der eine damals
schon überholte Auffassung von den Aufgaben
eines Museums repräsentierte. Der Weg zu den Ausstellungsräumen
war nicht barrierefrei konzipiert.
Auch eine museumspädagogische Aufbereitung der
Exponate unterblieb gänzlich.
Heute besteht die Chance, das Museum besucherfreundlicher
zu gestalten, die Dauerausstellung verständlich
zu konzipieren, durch attraktive Sonderausstellungen
und Veranstaltungen aller Art Leben
ins Haus zu bringen und der Kommunikation zwischen
Kulturschaffenden und Besuchern Tür und Tor zu
öffnen. Es mangelt nicht an Ideen, man braucht nur
den Augenblick nutzen. Freuen wir uns auf die Wiedergeburt
des Museums als prachtvoller Falter!
Beschrieben von Hermann Löns, Heide-Dichter
und Redakteur des Hannoverschen Anzeiger
Vor einigen Jahren ist in diesem Magazin darauf
hingewiesen, von welch bedeutendem Wert Lokalund
Provinzialmuseen sind. Während zur Vervollständigung
allgemeiner Museen riesige Räume
und gewaltige Summen gehören, bedarf es für ein
Stadt- oder Landschaftsmuseum weitaus geringerer
Mittel. Lüneburg hat bei 24.000 Einwohnern
dank des Fleißes des „Museumsvereins für das
Fürstentum Lüneburg“ und des „Naturwissenschaftlichen
Vereins“ – dessen Berichte in Fachkreisen
viel Beachtung fi nden – ein Museum, das
in gar keinem Verhältnis zu der Größe der Stadt
steht, so stattlich ist der Bau und so reichhaltig
sind seine Sammlungen. Es liegt unweit der Bahnhöfe
und ist wert, dass der Reisende, der Sinn für
wertvolle Sammlungen hat, wissentlich einen Zug
versäumt und sich von dem sachkundigen Hauswart
durch die hellen freundlichen Räume führen
lässt. Getreu sind dort aufbewahrt die bunten
Kopfbretter wendischer Bauernhäuser, im Kellergeschosse
alte Maueranker, Mühlsteine, schöne
Öfen, Beschläge, ein ganz vorzüglich erhaltener
Einbaum aus der Elbe, kunstvolle alte Wetterfahnen,
eine sehr große Sammlung von Waffen aus
der Steinzeit, meist aus dem Fürstentum stammend,
Bronzegeräte, darunter ein bei Oldendorf in
der Göhrde gefundenes prächtiges Bronzeschwert,
eine Menge Urnen, darunter eine der so sehr seltenen
Fensterurnen, Fibeln und Nadeln aus Hünengräbern
und viele zum Teil sehr wertvolle Einzelfunde.
Ein wundervoller römischer Kessel und eine
herrliche römische Schale, dann die Unmenge
Grabfunde aus dem vorgeschichtlichen Friedhofe
von Rebenstorf bei Lüchow, sowie eine hübsche
Sammlung ausländischer Waffen und Geräte. In
dem oberen Geschoss fi nden sich wertvolle Altäre,
Taufbecken, ein wundervoller bunter, gotischer
Kirchenschrein, Urkunden und Kirchenbücher.
Am interessantesten aber ist das Wendenzimmer,
wo ein wendisches Brautpaar in vollem Brautstaat
in Lebensgröße nachgebildet ist, umgeben von altem
Hausvätergerät, Spinnrad und Wiege, geschnitzten
Stühlen, buntbemalten Hutschachteln,
prachtvollen, glänzenden Milchkannen, bemalten
Pfeifenköpfen und bunt eingelegten Kleiderbürsten
und Zunderkasten — alles Sachen, die überwiegend
schon durch modernes Gerät verdrängt
und kaum noch aufzutreiben sind. Daneben fi ndet
sich eine ganz hervorragende Sammlung von
Handstickereien aus den Elbmarschen, die alte
Bardowicker Tracht, die heute fast ganz verschwunden
ist bis auf das dunkle Kopftuch und das
„Waaschen“, das bunte, runde Kopfpolster, auf
dem die Frauen aus Bardowick ihre Körbe zu Markte
tragen. Überreich ist das Museum bedacht mit alten
Holzschnitzereien, Truhen, Schränken, Stühlen,
Brautkisten, reich ist auch die keramische Sammlung,
viel herrliches altes Zinn, Glas und Porzellan
ist ausgestellt, eine stattliche Waffensammlung,
Gildegeräte, schöne Gobelins, Bilder und Karten,
die vollständige Ausrüstung der Bürgerwehr von
1848, sogar Bleisoldaten in Bürgerwehrsuniform.
Auch die naturwissenschaftliche Sammlung ist
bedeutend, doch wäre es zu wünschen, wenn man
die Tier- und Pfl anzenwelt sowie die Gesteine und
paläontologischen Funde aus dem Fürstentume
gesondert ausstellte und das bunte exotische Gewimmel
von Papageien u.s.w., das die Einheitlichkeit
der Sammlungen stört, dahin verbannt, wohin
es in einem derartigen Museum gehört, in einen
eigenen, möglichst entlegenen Raum. Den Laien
sehr interessieren wird ein Rattenkönig, der 1883
beim Kaufmann Ohlert in Lüneburg gefunden sein
soll, ob lebend oder tot, konnte ich nicht erfahren.
Ich wagte einige leise Zweifel an der Echtheit zu
äußern, aber die bestimmtesten Versicherungen
des Hauswartes geboten mir Schweigen. Rattenkönigen
gegenüber bin ich sehr skeptisch. Mein
Lehrer, Prof. Dr. H. Landois in Münster, sagte:
„Einen lebendigen Rattenkönig hat noch nie ein
Mann der Wissenschaft gesehen“, und als ihm
einst telegraphisch ein toter Rattenkönig für 100
Mark angeboten wurde, sandte er lakonisch folgendes
Antwortstelegramm: „Ich stelle ihn billiger
her“.
— Anmerkung: „Rattenkönig“ nennt man ein Gebilde
aus bis zu 30 Ratten, die an den Schwänzen
oder Hinterbeinen miteinander verwachsen scheinen.
Es entsteht, wenn die Jungen im Nest lange
eng beieinander liegen und Schmutz und Exkremente
die Schwanzhaare fest verkleben. Auch bei
Mäusen, Eichhörnchen und Hauskatzen findet
man Entsprechendes. Ein Rattenkönig überlebt
nur so lange, wie seine Eltern ihn mit Nahrung versorgen
können.
Aus: Hermann Löns: Lüneburg. Eine Herbstfahrt.
Herausgegeben von Werner H. Preuß mit Fotos von
Irmtraut Prien. Husum 2004
FOTOS: SAMMLUNG HAJO BOLDT
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