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Tragfähige Brücken bauen

geschrieben von Natascha Mester im November 2013

Unter dem Leitgedanken „Hilfe zur Selbsthilfe“ unterstützt der in Lüneburg ansässige Verein „International Non-Profit Network“ (INPN) erfolgreich Hilfsprojekte vorwiegend in Lateinamerika und Afrika

Auf die Schnelle ein leckeres Mittagsmenü in der Stadt und dann noch ein Stück Kuchen und einen Milchkaffee, bevor es zurück an den Schreibtisch geht – diesen kleinen Alltags­luxus gönnen wir uns, ohne lange darüber nachzudenken. Warum auch, wir können es uns ja leisten. Die Nöte der Menschen dieser Welt wabern höchstens als Meldung über die Mattscheibe unseres Fernsehers oder blicken uns aus hungergroßen Kinderaugen von Magazinseiten entgegen. Die Orte, an denen es an allem fehlt, sind weit weg. Aus den Augen, aus dem Sinn sozusagen. Und doch leben dort Menschen und versuchen, ihren Alltag zu bestreiten: Es sind Jugendliche, die zwei Mal täglich einen Fußweg von acht Kilometern in Kauf nehmen, nur um in die Schule gehen zu können; Mädchen, die an den Folgen der Genitalverstümmelung sterben, Menschen in Krankenhäusern, in denen aufgrund der fehlenden Stromversorgung nicht praktiziert werden kann … die Liste ließe sich beliebig fortführen. Wir können ignorieren und wegschauen, ungeschehen machen können wir die zahllosen Missstände auf dieser Welt hingegen nicht.

In zahlreichen Projekten in Brasilien, Togo, Peru, Bolivien, Chile oder Guinea-­ Bissau wurden erste Schritte getan, um vorhandene Defizite zu beheben.

Dieses Bewusstsein und das Gefühl der eigenen Ohnmacht gaben in 2006 den Anstoß für die Gründung eines neuen Vereins in Lüneburg, der es sich zum Ziel machte, ein globales Netzwerk unterschiedlicher Projektpartner und Organisationen zu errichten, um so eine wirksamere und nachhaltigere Unterstützung in verschiedenen Ländern zu ermöglichen. Die Initiatoren sind Dr. jur. Dipl. ök. Jorge Guerra González, der an der Leuphana Universität als Dozent insbesondere im Bereich der sozialen Dimension von Nachhaltigkeit lehrt und Dipl. Ing. agr. Reinhard Ross. Beide lernten sich über die Gründung des interkulturellen Lüneburger Vereins „Amistad“ kennen. Seit 2008 ist das „International Non-Profit Network“, kurz INPN, als eingetragener Verein autorisiert, die Finanzierung der zahlreiche Projekte durch Drittmittelförderung, Spenden bzw. Mitgliedsbeiträge zu bestreiten. Unzählige Hilfsprojekte konnten seither angeschoben und langfristig weitergeführt werden. Mit den jeweiligen Partnern führt man den Dialog auf Augenhöhe, immer auch die kulturellen Unterschiede berücksichtigend. „Vor allem Afrika ist in großen Teilen patriarchalisch geprägt. Diese kulturellen Gegebenheiten müssen einbezogen werden“, erklärt die zweite Vorstandsvorsitzende des Vereins, Marie Heiland, die 2009 als Studentin der Leuphana zum International Non-Profit Network kam. Seither begleitete sie unter Anderem ein ambitioniertes Nähprojekt an einer Vorschule in Brufut, Gambia, in dem Taschen aus Stoffen und Getränkeverpackungen entstehen wie auch Mode und wunderschöne Designs, die künftig über einen eigenen Online-Shop verkauft werden sollen. Der Erlös geht zu 100 % an die Menschen vor Ort.
Ebenfalls in Brufut ist in Kooperation mit dem Hamburger Verein „Karawane-West-Afrika e.V.“ eine photovoltaische Anlage an der dortigen Lower Basic School entstanden; eine Anlage, die das Schulgebäude und die Wasserpumpe konstant mit Strom versorgen kann. Auf einen Spendenantrag kam von der Niedersächsischen Bingo-Umweltstiftung „grünes Licht“, Partnerfirma vor Ort wurde GamSola Energy & Engineering, die das Fundament für die Anlage und das Batterie-Haus bauten.

Die „Hardware“ – 22 Solarmodule — spendete die Hamburger Firma Colexon. Doch beim Aufbau allein blieb es nicht. „Unser Fokus liegt auf der Hilfe zur Selbsthilfe, das bedeutet, wir möchten vor allem die Unabhängigkeit und Eigenverantwortung der Menschen fördern“, erklärt Jorge Guerra González. Nur so ist Nachhaltigkeit möglich, nur so kann es zu einem selbsttragenden Projekt werden.“ Demzufolge wurden vor Ort Lehrer wie Schüler über einen Zeitraum von mehreren Wochen in der fachgerechten Bedienung einer Solaranlage geschult.
Brufut ist nur ein Beispiel für die Programme in wirtschaftlich schwachen Regionen, die vom INPN e.V. initiiert wurden. Mit vielen weiteren wurde in Brasilien, Togo, Peru, Bolivien, Chile oder Guinea-­Bissau ebenfalls ein erster Schritt getan, um vorhandene Defizite zu beheben. Ob es um Schul­patenschaften geht, die Trinkwasseraufbereitung in Äthiopien, das Futterbaumprojekt in Nicaragua oder um Prothesen für kolumbianische Kinder, die Opfer von Landminen wurden: Es gibt genug zu tun auf unserem Erdball. Alle Projekte werden gemeinsam im Gespräch mit den Projektpartnern entwickelt. Autonomie contra Kolonialisierung, Bildung contra Missionierung. Einen kulturübergreifenden Dialog zu schaffen, um auf diese Weise tragfähige Brücken zwischen den Kulturen zu errichten, darum geht es. Und darum, das die Welt ein kleines bisschen näher zusammenrückt und damit gerechter, solidarischer und mutiger wird.
Interessiert? Kommen Sie einfach zur 5-Jahres-­Feier des INPN am 9. November! Weiterführende Informationen finden Sie unter w.inpn.net.( nm)

Fotos: Enno Friedrich, INPN, Lars Bärh

5 Jahre „International Non-Profit Network e.V.“
Foyer der VHS Lüneburg
Samstag, 9. November
19.30 Uhr

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