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„Beziehungsweise“

geschrieben von Natascha Mester im November 2013

Objekt begegnet Betrachter: Am 5. November 2013 wird in der IHK Lüneburg-Wolfsburg eine ­Ausstellung mit Skulpturen und Holzschnitten des in Bremen lebenden Bildhauers Gunther Gerlach eröffnet

Die Skulpturen des Bildhauers Gunther Gerlach gehören zu jener Art von Kunst, die ungefragt Kontakt aufnimmt, sich beim Betrachter still und leise Gehör verschafft, in seinen Gedanken niederlässt und ergründet werden will. Die Ausstellung wird zu einer Art Kontaktforum. Wer sich darauf einlässt, wird Ungewöhnliches ent­decken.
Obwohl es sich bei Gerlachs Skulpturen nicht um konkrete Formen mit einem Wiedererkennungswert handelt, sprechen sie eine erstaunlich allgemeinverständliche Sprache. Wie ist dies möglich? Wie kann eine solch intensive Kommunikation entstehen, ausgelöst allein durch die Darstellung von Horizontalen und Vertikalen, von konkaven und konvexen Formen?
Vielleicht liegt die Antwort in unserer Prägung und der daraus erwachsenen Gabe zu assoziieren. Denn obschon es keine konkrete Ausformulierung eines Körpers gibt, erinnern die Proportionen doch an menschliche Figuren. Ein Kopf scheint sich dem Betrachter zuzuwenden, die dynamische Haltung drückt Offenheit und Zugewandtheit aus. Die mal übermannshohen, mal 1,30 m „kleinen“ Stelen scheinen Gesten anzudeuten und beflügeln mit ihnen unsere Gedanken und Gefühle. Setzt man die Stelen in eine Beziehung zueinander, ist auch hier eine unmittelbare Interaktion wahrzunehmen. In der Gruppe entsteht ein ungeheures Spannungs­feld, eine fast spürbare, dichte Atmosphäre. Dia­loge entstehen sowohl zwischen Objekt und Betrachter als auch zwischen Objekt und Objekt – und dann ist da ja auch noch der Raum, der plötzlich zu einem wichtigen Teil dieser Kommunikation wird, denn auch er erfährt eine Veränderung in seiner Struktur, indem die Ausstellungsobjekte ihn teilen, rastern, ihn begrenzen oder erweitern.
Gunther Gerlach reizt die Darstellung des sinnlich Erfahrbaren. Seine Arbeiten sind immer auch eine Einladung an den Betrachter, sich zwischen ihnen zu bewegen, sie haptisch zu erforschen und sich mit ihnen so auf einer sehr direkten Ebene auseinanderzusetzen. Allein durch diese Haltung wird deutlich, dass die Themen „Kontakt und Beziehungen“ eine wesentliche Rolle bei den Skulpturen Gunther Gerlachs einnehmen.

Dialoge entstehen sowohl zwischen Objekt und Betrachter als auch zwischen Objekt und Objekt – Und dann ist da auch noch der Raum, der zu einem wichtigen Teil wird.

ei deren Entstehung sei der Prozess wichtig, erläutert der Bildhauer seine Vorgehensweise. Zwar gibt es einen Grundgedanken, der oft als eine Art Formenskizze in einem Holzschnitt festgehalten wird. Doch auf die Suche der eigentlichen Form begibt er sich erst während des Arbeitsprozesses. Seine Themen sind die großen, die übergeordneten; ihm geht es nicht um Tagespolitisches. Dies verleiht seiner Arbeit eine übergeordnete Gültigkeit, die sie zeitlos werden lässt. „Hommage à Paul Celan“ nannte er eine Werkgruppe, andere hingegen kommen ganz ohne Namen aus, um eine größtmögliche Gedankenfreiheit bei dem Betrachter zu wahren. Gerlach nannte sie ganz unprätentiös „Zwei Säulen“ oder „Elf Probekörper“.
Immer wieder ist es die Säulenform, die uns bei den Arbeiten Gunther Gerlachs begegnet, ebenso wie die runden, in sich geschlossenen Formen, die so genannten Skulpturoide, die sich, herabgefallenen Himmelskörpern gleich, auf dem Boden gruppieren. Nicht das Holz als Arbeitsmaterial steht im Mittelpunkt, es ist die Form. Er selbst sagt, es sei reiner Zufall, dass es das Holz ist, das seiner Arbeitsweise am zuträglichsten sei. Doch ist dies eben das einzige, das ein spontanes, schnelles Agieren möglich mache. Als Bildhauer empfindet er sich als Traditionalist, und so rückt er dann seinem Rohmaterial auch mit Holzbeitel, Säge und Vorschlaghammer zu Leibe, gibt ihm durch Narben und Schnitte, durch entstehende lichte und schattige Flächen sein künftiges Profil. Farbe kommt lediglich ins Spiel, um den Skulpturen eine transluzente Patina zu verleihen, dabei beschränkt sich Gerlach auf Schwarz und Weiß. Zwei Farben, mit denen es sich herrlich polarisieren lässt: Schwarz grenzt sich ab, wirkt in sich geschlossen. Weiß hingegen öffnet sich, dehnt sich nach außen hin aus. Dass das Weiß als Farbe folglich viel häufiger in Gunther Gerlachs Œuvre zu sehen ist, verwundert nicht. Die Farbe der Expansion, die Farbe der Offenheit – sie spricht ihre eigene Sprache in dem Diskurs zwischen Figur, Betrachter und Raum.
Die Skulpturen sind mit einigen ihrer grafischen „Vorläufer“ vom 5. November 2013 bis zum 13. Januar 2014 im Rahmen der Ausstellungsreihe „KultURsprung“ in der Industrie- und Handelskammer Lüneburg-Wolfsburg zu sehen. Zur Vernissage am 5. November um 18.30 Uhr sind Sie herzlich eingeladen.(nm)

Foto: Hervé Maillet

„Beziehungsweise“
Skulpturen & Holzschnitte von Gunther Gerlach
IHK Lüneburg-Wolfsburg
Vernissage: Dienstag, 5.November, 18.30 Uhr