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Motorisches Handicap

geschrieben von Irene Lange im September 2013

Eine Krankheit, die jeden treffen kann: Die Parkinson Selbsthilfegruppe Lüneburg sorgt mit einem regelmäßigen Erfahrungsaustausch für eine bessere Aufklärung und Akzeptanz

An einem Sommernachmittag trifft sich eine Gruppe Frauen und Männer bei der Keramikerin Anita Vollmer in Häcklingen zum Gartenfest. Mit der Gastgeberin verbindet bis auf zwei Gäste alle das gleiche Schicksal: Sie leiden an der Morbus Parkinson-Krankheit (Schüttellähmung). Unwillkürlich denkt man dabei an prominente ­Betroffene wie den amerikanischen Schauspieler Michael Fox oder auch den Boxer Muhammed Ali. Auf den ersten Blick ist den Mitgliedern der Lüneburger Gruppe das Leiden allerdings nicht anzusehen, weil die typischen, erkennbaren Symptome wie Zittern (Tremor) oder Steifigkeit der Bewegungen oder der Mimik nicht auf den ersten Blick erkennbar sind.
In der Regionalgruppe Lüneburg, angeschlossen der Deutschen Parkinson Vereinigung e.V., mit derzeit 88 Mitgliedern kommen Patienten und auch Angehörige regelmäßig zusammen. Nicht nur Geselligkeit steht dann auf dem Programm, sondern ebenso ein reger Erfahrungsaustausch – so auch beim Gartenfest in Häcklingen. Die Gruppe wird seit 18 Monaten von Dr. Sylvia Schröder-Lade geleitet. Sie selbst ist nicht erkrankt; jedoch litt ein inzwischen verstorbenes Familienmitglied an Parkinson.
Mit großer Offenheit berichten die Betroffenen von ihren Problemen und Schwierigkeiten im Alltag. Sie lassen auch nicht ihre Empfindungen aus, als sie die Diagnose wie ein Schicksalsschlag traf. „Ich hatte die Krankheit schon fünf Jahre; sie wurde aber erst vor drei Jahren diagnostiziert. Das habe ich einfach so vor den Kopf geknallt bekommen“, berichtet jemand.

Die Lüneburger Parkinson-Selbsthilfegruppe trifft sich jeden zweiten Samstag im Monat zum Erfahrungsaustausch.

Die Einschränkungen durch die Auswirkungen der Erkrankung reichen vom Zittern der Hände über schmerzhafte Muskelverspannungen, Blockierungen des Verdauungstraktes, Verlangsamung der Bewegung und Sprache bis hin zum Sekundenschlaf und zum Verlust des Geruchssinns (tritt bei 80 % der Erkrankten auf). „Da fällt schon das Ankleiden schwer, Schuhe zubinden kann ich schon gar nicht mehr“, erzählt ein Gruppenmitglied. Besonders wegen der schmerzhaften Verspannungen sei es sehr schwer, alltägliche Verrichtungen zu bewältigen. Ein anderer berichtet, dass seine beruflichen Leistungen nachließen, was für ihn sehr deprimierend gewesen sei. Zudem hätten die meisten Arbeit­geber Vorurteile gegen Parkinson-Erkrankte, bei denen zwar körperliche Einschränkungen mehr oder weniger stark vorhanden seien, jedoch keines­wegs verminderte geistige Fähigkeiten. „Die Betrof­fenen verdummen nicht“, wird betont. Und: „Jeder hat seinen eigenen Parkinson“, stellt Schröder-­Lade fest. „Diese Krankheit kann jeden treffen, ob jung oder alt“. Die Ursachen sind vielfältig und bis heute nicht genau zu definieren. Fest steht jedoch, dass es sich um eine mehr oder weniger komplexe Erkrankung des gesamten Nervensystems handelt. Mit fortschreitendem Alter beginnen zwar bei allen Menschen Nervenzellen abzusterben, jedoch ist beim Parkinson-Syndrom dieser Vorgang ausgeprägter oder beschleunigter. Eine Heilung gibt es nicht, nur durch Medikamente mit teilweise starken Nebenwirkungen können die Symptome der Erkrankung erleichtert werden. „Ich nehme Tabletten gegen Tabletten“, sagt ein Mitglied dazu. Empfohlen werden Bewegung und Sport – soweit möglich. Jedoch ist das vielen Parkinson-Patienten durch häufig zusätzliche Erkrankungen wie Arthrose wiederum nicht möglich.

sterben, jedoch ist beim Parkinson-Syndrom dieser Vorgang ausgeprägter.

Bei den Zusammenkünften werden wertvolle Erfahrungen im Umgang mit der Krankheit ausgetauscht, auch Therapieerfahrungen und Behandlungsmethoden sowie mögliche Aktivitäten. So stellt sich Schröder-Lade vor, einen Tanzworkshop einzurichten. Sie ist der Meinung, dass Tanz und Musik einen günstigen Einfluss auf motorische ­Fähigkeiten und auf das Sprachzentrum haben. Da die meisten Gruppenmitglieder bereits nicht mehr in Lage sind, selbst Auto zu fahren, soll demnächst auch ein Fahrzeug zur Verfügung gestellt werden. Durch Aufklärung – auch mittels Flyer – möchten die Betroffenen bewirken, dass für Parkinson in der Forschung mehr geschieht, denn offensichtlich ist es immer noch schwierig, die Krankheit überhaupt zu diagnostizieren. Bei über 300.000 Erkrankten in Deutschland (ca. 450 Fälle in Lüneburg) sei auch die Politik mehr gefordert. Zudem wünsche man sich mehr gesellschaftliche Akzeptanz. Die Krankheit dürfe kein Tabu-Thema mehr sein.
Aus der Lüneburger Gruppe heraus erhofft sich Schröder-Lade auch eigene Aktivitäten. Mit Workshops, z. B. im Klinikum Lüneburg, und Vorträgen durch Fachärzte möchte sie die Gruppenmitglieder in naher Zukunft noch intensiver informieren und aktivieren. Zurzeit trifft sich die Gruppe jeden zweiten Samstag im Monat. Weitere Informationen im Internet unter www.parkinson-lueneburg oder telefonisch unter (0152) 33729194.(ilg)

Fotos: Enno Friedrich