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Schätze der Volkskunst und des Glaubens

geschrieben von Reinhard Fitzner im Mai 2016

Taufpatenbriefe sind gemalte, handgeschriebene oder gedruckte Glückwünsche des Paten an den Täufling
und nicht selten aufwändig gestaltete kaligraphische Kostbarkeiten. Vom 1. bis zum 30. Mai dokumentiert eine
Ausstellung in der St. Nikolaikirche diesen Brauch.

Seit Jahrhunderten ist es Brauch, den getauften Kindern einen so genannten Taufbrief mit auf ihren Lebensweg zu geben. Als Reinhard Fitzner sich auf die Spuren dieser alten Tradition begab, ahnte er noch nicht, welch reichen Schatz es zu entdecken gab.
Taufpatenbriefe sind gemalte, handgeschriebene oder auch gedruckte Glück­wünsche des Paten an den Täufling, die einerseits als Umhüllung eines Geld­geschenkes, als auch als Dokument dienten. Der älteste bekannte Taufpatenbrief stammt aus Zabern im Elsass aus dem Jahr 1593.
Im 18. und 19. Jahrhundert entwickelte sich eine große Vielfalt unterschiedlichster Ausgestaltungen. Mit immer neuen Ausdrucksformen und Techniken bemühte man sich in der jeweiligen Zeit, seinem Glauben wie auch seinen guten Wünschen bildhaften Ausdruck zu verleihen. Taufpatenbriefe finden sich sowohl bei Protestanten wie Katholiken, in deutscher Sprache und vereinzelt auch in den Sprachen benach­barter Länder. Einige der Briefe sind kalligraphische Kostbarkeiten und künstlerisch hochwertige Drucke, die zum Betrachten verlocken, doch sollten sie in vor allem als Segenswunsch des Paten an den Getauften verstanden werden, der ihn damit auch in seinem jungen Glauben zu stärken gedachte. In den Darstellungen der Patenbriefe fand der Glaube seinen bildhaften Ausdruck; oft zeigt er biblische Szenen oder aber er dokumentiert die Taufzeremonie. Die Bibelworte und frommen Wünsche sollen das Kind Zeit seines Lebens begleiten, es daran erinnern, was es bedeutet, ein Getaufter zu sein und es zu einem gottgefälligen Leben anhalten. Auf diese Weise festigte der Taufpatenbrief als Gegenstand der Erinnerung und Ausdruck des Glaubens über Jahrhunderte den unverbrüchlichen Lebenssinn der Christen.
Im 20. Jahrhundert verkümmerte der Taufpatenbrief mehr und mehr zur bloßen Bescheinigung und zum Informationsblatt. Seit den 50er-Jahren erhalten oft nur die Paten von der Gemeinde einen Patenbrief, der sie ermuntern und bekräftigen soll, die Aufgaben des Paten wahrzunehmen.
Vom 1. bis zum 30. Mai ist in der St. Nicolai-Kirche in Lüneburg eine Ausstellung dieser signifikanten Zeitzeugen zu sehen, die die beeindruckende Vielfalt dieses schönen Brauchs dokumentiert. Unter ihnen befindet sich auch ein Exemplar aus dem Privatbesitz der Lüneburger Pastorin i. R. Ellen Ringshausen, die sich neben anderen auch an den Führungen durch die Ausstellung beteiligen wird. „Als unsere Tochter getauft werden sollte“, erzählt Ellen Ringshausen, „schickte mir eine ­alte Dame – ich kannte sie aus Kindertagen – einen sehr kleinen, orangefarbenen Umschlag, in dem ein wieder sehr klein gefaltetes Briefchen mit farbenfrohen Bildern steckte. Als ich es entfaltete, kam in der Mitte die Kreuzigung Jesu zum Vorschein, darunter der Vers:
„Ich bin getaufft auf Christi Blut,
das ist mein Schatz und höchstes Gut,
das sey und bleibe auch mein ewiges Gut.“

Der Urheber dieses kleinen, erlesenen kolorierten Kupferstichs war Johann Gottfried Böck, der in Augsburg um 1730 wirkte. Gerahmt hängt dieses Bild nun seit 40 Jahren neben Frau Ringshausens Schreibtisch.
Veranstaltungen
• „Taufe und Erinnerung – Bildfrömmigkeit alter Taufpatenbriefe“
Freitag, 6. Mai, 15.30 Uhr, St. Nicolai, Vortrag von Reinhard Fitzner, P. i. R.
• Gottesdienst zum Thema „ Bild und Bibel“
Sonntag, 8. Mai, 10.00 Uhr, St. Nicolai, Landessuperintendent i. R. Jantzen
• Führung durch die Ausstellung
Samstag 14. und 21. Mai, 11.00 Uhr, St. Nicolai, Ellen Ringshausen, P. i. R.