Magazin über das Leben in Lüneburg
Themen
Alle Themen und Artikel

Kirche in Kinderaugen

geschrieben von Rosa Bartz im September 2011

Religionslehrerin Karin Aulike bietet seit vier Jahren in St. Nicolai Führungen für Kinder an,

Etwa 25 Kinder tummeln sich in der Lüneburger St.-Nicolai-Kirche – sie laufen umher, basteln und steigen auch mal auf die Kanzel, um einen Bibelvers vorzulesen. Was bei vorbeikommenden Besuchern oft für verwunderte Blicke sorgt, ist für Karin Aulike eine willkommene Abwechslung. Gemeinsam mit ihren ehemaligen Kolleginnen Rosemarie Lechner und Elisabeth Krefft-Behrsing bietet sie kirchenpädagogische Führungen für Schulklassen an, bei denen die Kinder nicht nur still zuhören, sondern selbst aktiv werden.

Vor mehr als sechs Jahren entstand bei der Religionslehrerin, die am Johanneum lehrt, die Idee, Kirchenrundgänge für Kinder ins Leben zu rufen. Bis zur Umsetzung dauerte es zwei Jahre, in denen sie zunächst eine Ausbildung zur zertifizierten Kirchenpädagogin bei der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannover machte. Seither steht sie in regelmäßigem Austausch mit anderen Päda­gogen, die solche Führungen anbieten – auch in Lüneburg gibt es etwa zehn.
Die simple Antwort auf die Frage nach der Motivation für ihr ehrenamtliches Engagement: „Ich habe gedacht, das wäre eine sinnvolle Sache. Außerdem bin ich selbst unheimlich kirchen- und kunst­interessiert!“ Es sei ihr wichtig, Kindern Kirche nahezubringen, denn schließlich seien diese die potentiellen Gemeindemitglieder von morgen. Die Anfragen für eine Führung kommen meist von Grundschullehrerinnen, die mit ihren vierten Klassen einen Kirchenbesuch planen. „Viele der Kinder sind zum ersten Mal in einer Kirche oder kennen sie nur von Urlaubsbesichtigungen mit den Eltern.“ Den so gewonnenen Eindruck des Musealen möchte Karin Aulike widerlegen: „Dieser Raum lebt ja noch und ist kein Museum.“

Beim kirchenpädagogischen Ansatz gehe es also weniger um den kognitiven Bezug als um das erlebnisorientierte Kennenlernen, so die Pädagogin. „Indem Kinder, aber auch Erwachsene, Kirche als Raum erfahren, erschließen sie sich die christliche Religion.“ Der Grundsatz „wahrnehmen – verstehen – aneignen“ wird bei den Führungen ganz praktisch umgesetzt: „Um etwas wahrnehmen zu können, muss man sich bewegen dürfen. Die Kinder bekommen von uns eine Mappe und werden auf die Reise geschickt – an verschiedenen Stationen finden sie einen Auftrag.“ Sie begeben sich beispielweise auf die Suche nach Hinweisen auf den Namensgeber der Kirche, den heiligen Nikolaus von Myra, der auch Schutzpatron der Seefahrer ist, und finden Anker, Schiffe und Bildnisse von St. Nikolaus selbst.

Um einen Kirchenbau in seiner ganzen Größe erleben zu können, ist ein Perspektivenwechsel hilfreich. So dürfen sich die jungen Besucher während des Rundgangs vor dem Altar auf den Boden legen und von unten bis zum Sterngewölbe der hohen Decke blicken. Mit Hilfe von Bauklötzen bringen die Lehrerinnen ihnen die Architektur nahe – den Schlussstein eines Bogens so einzusetzen, dass das imposante Gewölbe nicht zusammenbricht, ist schwieriger als gedacht! Begeistert sind die Kinder auch stets von der Krypta in St. Nicolai; sie empfinden den Raum mit der besonderen Atmosphäre als wundervoll feierlich. Er liegt direkt unter dem Altar und ist erst seit etwa zehn Jahren als so genannter „Raum der Stille“ für Besucher zugänglich. Am Schluss der Führung stellen sich noch einmal alle gemeinsam um die Weltkugel vor dem Eingang der Krypta, zünden jeder ein Teelicht an und singen ein beliebtes Kirchenlied wie „Dona nobis pacem“.

Für die Zukunft hofft Karin Aulike, das Angebot an kirchenpädagogischen Führungen ausweiten zu können. In zwei Jahren, wenn sie pensioniert ist, schwebt ihr dafür ein regelmäßiger wöchentlicher Termin vor. Dann bekämen noch mehr Kinder die Gelegenheit, „die Besonderheit dieses Raumes zu erschließen, Zugang zu den Grundlagen des Glaubens zu erhalten, zu dem, was das Besondere an den Kirchen ist und woran man das sehen kann.“(rb)


Kontakt
Karin Aulike, Tel. (04131) 63822; Dauer der Führung: etwa 1,5 Stunden

Fotos (2): Enno Friedrich