Das mit dem Glücklichsein
geschrieben von Caren Hodel im Oktober 2013Dass Soul auf Deutsch funktionieren kann, hat Stefan Gwildis längst bewiesen. Spätestens nach seinem neustenAlbum wissen wir, dass der charismatische Sänger auch als Jazz-Entertainer eine ziemlich gute Figur macht

Stefan Gwildis weiß, wie das funktioniert, „das mit dem Glücklichsein“. Nicht umsonst trägt seine neue Platte, auf der wir nicht wie gewohnt hitzigen Soul sondern gelassenen Bar-Jazz zu hören bekommen, eben diesen Titel.
Das Album entstand gemeinsam mit der 18-köpfigen NDR Bigband. Jörg Achim Keller übernahm das Arrangement, Textunterstützung bekam Gwildis vom einstigen Schulkameraden Michy Reinke und von Frank Rabold. So verwandelt sich „Papa Was A Rolling Stone“ zu „Papa will hier nicht mehr wohn‘“, und aus Gladys Knights „Rainy Night in Georgia“ wird eine „Regennacht in Hamburg“, schließlich kann man nicht nur am Mississippi den Blues bekommen sondern auch an den Landungsbrücken. Gwildis geht es nicht um wörtliche Übersetzung sondern um den Sprachrhythmus und das, „was dabei rüber kommt“. „Ich sauge die Stimmung in der Musik auf und schau einfach, wo mich das hinführt“, sagt Gwildis. Nur so gelingt ihm wahrscheinlich das Kunststück, einen Text von Heinz Erhardt ins Album zu schmuggeln, der plötzlich das Gewand einer bläserseligen Ballade trägt. Es ist eben der ganz ureigene Blick auf das „Great American Songbook” und das, was dabei rauskommt eine farbenreiche Gefühlspalette, die von melancholischen Blue Notes bis hin zum rollenden Swing alles abdeckt.
Jazz ist für Gwildis – genau wie Soul – ohnehin nicht nur ein Genre, sondern eine Haltung zum Leben. „Ich liebe diese Musik. Ihre Dynamik, ihre Zeitlosigkeit. Und ich habe große Achtung vor den Menschen, die sie geschaffen haben“, sagt der gebürtige Hamburger. „Diese Musik hat immer etwas mit Seele zu tun, mit Künstlern, die auf ihre Art und Weise eigen und unverwechselbar sind. Damit meine ich einen Bill Withers, einen Marvin Gaye oder Miles Davis, aber ich zähle auch Menschen wie Mohammed Ali dazu. Er hat sich nie verbiegen lassen und für seine persönliche Meinung gekämpft. Deshalb habe ich ihm auch einen Song gewidmet.“
An dieser Stelle sind wir schon ganz dicht dran, an der gwildischen Definition von Glück. Denn Stefans Devise lautet: „Man muss nicht Everybody’s Darling sein. Die Erwartungen anderer Leute engen nur ein.“ Genau das will er auch in seinen Liedtexten vermitteln: weitermachen, nicht aufgeben, „irgendwas geht immer.“ Das ist nicht einfach so daher gesagt. Gwildis, der sich auch schon als LKW-Fahrer, Miet-Weihnachtsmann, Sonnenbankaufsteller und Straßenmusiker durchs Leben schlug, spricht aus Erfahrung. Ganz gleich, was der Mann mit den strahlenden Augen tat, eine ganz besondere Liebe begleitete ihn zu jeder Zeit: die Liebe zum Soul.
Eigentlich ist der Sänger mit dem grau melierten Haar, den man zu Recht „Deutschlands Antwort auf George Clooney” nennt, das perfekte Beispiel dafür, dass sich Hartnäckigkeit auszahlt. Den großen Durchbruch schaffte er erst vor gut zehn Jahren. Damals, als er erstmals Soulklassiker in deutscher Sprache präsentierte, wurde dies von vielen müde belächelt. Doch schlussendlich hat dem heute 55-Jährigen der immense Erfolg Recht gegeben. Sein Album „Neues Spiel“ hielt sich wochenlang in den Charts. Er bekam die Goldene Stimmgabel verliehen und füllte statt kleiner Clubs plötzlich große Hallen. Bis heute sind seine Tourneen regelmäßig ausverkauft, denn – auch das hat sich mittlerweile herumgesprochen – Stefan Gwildis ist eine „nature born Rampensau“.
Im Grunde ist „Das mit dem Glücklichsein“ kein künstlerischer Spagat sondern die logische Konsequenz eines abenteuerlustigen Künstlers. Einem, der die Musik lebt und den man nicht so einfach in eine Schublade steckt. Gwildis braucht kein „Schicki-Micki“. Er rettet Fahrräder vom Sperrmüll und engagiert sich in der Hilfsorganisation Weißer Ring. Er bleibt sich selbst treu – und da sind wir wieder, bei der Definition vom Glücklichsein. „Spiel das Lied in dir“ heißt es in einem seiner Songtexte, „Mach die Augen zu und tanz der Welt entgegen.“ Wer diese Zeilen einmal live gehört hat, weiß, dass Musik da beginnt, wo Sprache aufhört …(ch)
Stefan Gwildis: „Live mit Trio“
Vamos!
Freitag, 8. November 20.00 Uhr
Foto: Tristan Ladwein

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