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Theaterbilder

geschrieben von Natascha Mester im September 2013

Mit „Lucia di Lammermoor“ feiert das Theater Lüneburg den Auftakt der neuen Spielzeit.Tamiko Unger realisierte als Theatermalerin das Bühnenbild von Stefan Rieckhoff für das große Haus

Mit einem Klassiker des italienischen Opern­repertoires feiert das Theater Lüneburg den Auftakt der neuen Spielzeit 2013/
2014: „Lucia di Lammermoor“ gilt nach wie vor als eine der größten Herausforderungen für Kolora­tursoprane – „eine Bravourpartie für Ensemblemitglied Ruth Fiedler“ —, weiß Intendant Hajo Fou­quet, der die Inszenierung der wohl bekanntesten Oper Donizettis übernommen hat. Als einen, der mittlerweile auch in Lüneburg für beeindruckende Bühnenbilder bekannt ist, hat sich Fouquet erneut Stefan Rieckhoff ins Haus geholt, mit dem es für diese Inszenierung gelungen ist, klare, assoziative Bilder zu finden, die bis in die Welt des Fantastischen, des Surrealen entführen. Ein Rundhorizont von über 16 Metern Breite zeigt eine diffuse, wie durch Nebelschleier verhüllte Landschaft. Das Motiv wiederholt sich im vorderen Bereich der Bühne, schafft damit Räume und Sichtachsen. Realität oder Traum? Die Ebenen verwischen.

Im Theater ist man aufgefordert, in großen Dimensionen zu denken und zu gestalten – man beschäftigt sich noch stärker mit Perspektive und Fernwirkung.

ür die künstlerische Umsetzung im Malersaal ist seit zwei Spielzeiten Tamiko Unger zuständig. Als Nachfolgerin von Horst Strasser, der nach 36 Jahren am Lüneburger Theater in den Ruhestand wechselte, übernahm sie als Theatermalerin und einzige Frau in der Theaterwerkstatt mit weiblichem Charme seine Position. Ihr beruflicher Werdegang liest sich ähnlich geradlinig, wie man sie als Persönlichkeit wahrnimmt: Nach einem Langzeitpraktikum im Hamburger Ohnsorgtheater plante sie zunächst ein Studium der Theatermalerei in Dresden, entschied sich dann aber für den praxisorientierteren Weg und „heuerte“ im Schauspielhaus in Hamburg an, wo sie die dreijährige Ausbildung absolvierte. Obwohl sie gute Chancen hatte, übernommen zu werden, zog es die gebürtige Lüneburgerin zurück in die Heimat – ein seltener Glücksfall, als die Stelle am Lüneburger Haus freiwurde. Eigentlich sei sie eher Handwerkerin, konnte aber von der Malerei nicht lassen, erklärt Tamiko Unger die Entscheidung für diese ihre Laufbahn. Dass kein Tag wie der andere ist, sich mit jedem neuen Bühnenstück neue Herausforderungen ergeben, das ist es, was sie immer wieder zu begeistern vermag. Überhaupt widmet sie sich gerne der Lösung kniffliger Auf­gaben – und von denen gibt es weiß Gott genug bei den rund 30 Produktionen, die das Theater Lüneburg innerhalb einer Spielzeit auf seinen drei Bühnen zeigt.
Auf die Frage, was denn die Kunst der Bühnen­malerei von der Malerei an einer Staffelei unterscheidet, erklärt sie: Hier ist man aufgefordert, in völlig neuen Dimensionen zu denken und zu gestalten, beschäftigt sich noch stärker mit Perspektive und Fernwirkung – schließlich befinden sich so einige Meter zwischen Bühne und Publikum. Das Bühnenbild für „Lucia“ brachte sie mit der Spritzpistole im Airbrush-Verfahren auf die gewaltigen Nesselstoffbahnen – einerseits, um die gewünschte nebulöse Stimmung nachzuempfinden, andererseits aus Zeitgründen – rund drei Wochen brauchte sie bis zur Fertigstellung. Mit dem Pinsel hätte es weitaus länger gedauert.
Das große Format herrscht auch im Malersaal vor, der an das Atelier eines Riesen erinnert: Die Leinwände nehmen den Boden des Raumes ein, auf ihnen kniet Tamiko Unger, um sie zu bearbeiten; oder sie malt stehend mit Borstengebilden mit Namen wie „Theatermalbürste“ und „Landschafter“, die eher an langstielige Besen erinnern als an herkömmliche Pinsel.
„Denken in Übergröße – wahrnehmen im Detail“, mit dieser Devise mag sich wohl ein Bühnenmaler durch die Welt bewegen, denn zu den wichtigsten Eigenschaften gehört sicherlich das genaue Be­obachten der alltäglichen wie der besonderen Dinge, um die Ideen der Ausstatter möglichst originalgetreu umzusetzen. Ein reger Dialog mit den Ideengebern gehört dann auch zum Entstehungsprozess eines Bühnenbildes, insofern ist für die Lüneburger Bühnenmalerin jede neue Arbeit eine Auftragsarbeit, in der sie ihren persönlichen Stil der Vorgabe durch den Ausstatter unterordnet. Ihre persönliche Handschrift ist dennoch in kleinen Details sichtbar, jeder Theatermaler habe da so seine Eigenarten und Vorgehensweisen, an denen man ihn wiedererkennt, schmunzelt Tamiko Unger.(nm)


Fotos: Enno Friedrich