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Blech und Tasten

geschrieben von Irene Lange im November 2014

Bereits im zarten Alter von drei Jahren kam Werner Gürtler 1953 nach Lüneburg und wuchs hier mit seinen drei älteren Geschwis­tern auf. Sein Vater, ein studierter Violinist, vererbte ihm wohl das Musiker-Gen, denn bereits mit vier Jahren begann sein jüngster Sohn Werner das Klavierspiel zu lieben und zu lernen.
Wie der Vater, der nach dem Krieg seine Familie als Berufsmusiker nicht ernähren konnte und anderen Tätigkeiten nachgehen musste, erkannte auch Werner Gürtler trotz seiner Jugend bereits die Notwendigkeit, neben der Leidenschaft zur Musik auch einen „handfesten“ Beruf zu ergreifen. Was lag näher, als das Handwerk des Klavierbauers zu erlernen, in welchem sich das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden ließ. Er begann eine mehrjährige Lehre, die er mit einem ausgezeichneten Abschlusszeugnis beendete. Zwischenzeitlich hatte er neben dem Klavier die Posaune als faszinierendes Instrument entdeckt. Damals hatte er sich gerade dazu entschlossen, noch einmal die Schulbank zu drücken, als er seine spätere Ehefrau Christa kennenlernte. Dieses Vorhaben wurde dann erst einmal ad acta gelegt, als bald nach der Heirat auch schon die erste Tochter geboren wurde. Werner Gürtler war da als frisch gebackener, liebevoller Vater und Ehemann gerade einmal 24 Jahre jung. Der Zufall hatte es augenscheinlich so eingerichtet, denn wenig später fand er seinen „Traumjob“, wie er heute rückblickend betont. Bei dem Traditionsunternehmen Steinway & Sons in Hamburg trat er seinen Dienst als Klavierbauer an und ließ sich „en passant“ zum Klavierstimmer ausbilden. Das Klavierspiel selbst spielte für ihn zu jener Zeit lediglich noch bei privaten Hauskonzerten eine Rolle.
Inzwischen war die Posaune für ihn das Instrument geworden, das ihm den Eintritt in verschiedenen Jazz-­Bands ermöglichte, darunter auch in der damaligen Lüneburger Band „Ragtime United“. 15 Jahre blieb er dem Unternehmen Steinway treu, bevor er sich zu einem Berufswechsel entschloss, um sich hauptberuflich der Jazz-Musik zu widmen und nebenbei als Klavierstimmer sein täglich Brot zu verdienen.

Bei dem Traditionsunternehmen Steinway & Sons in Hamburg trat er seinen Dienst als Klavierbauer an und ließ sich „en passant“ zum Klavierstimmer ausbilden.

Ein schwerer Schicksalsschlag wurde zu einem tiefen Einschnitt in seinem Leben, als seine Ehefrau tödlich verunglückte. Seine Tochter Nina war gerade einmal sechs Jahre alt. Nach 25 langen Jahren der Trauer und der bewussten Einsamkeit trat Janice Harrington, die nordamerikanische Jazz-, Blues und Gospelsängerin, in Gürtlers Leben. Sie war gerade für eine Tournee mit der NDR-Big Band verpflichtet worden, er wurde von seinem Agenten gefragt, ob er nicht Lust hätte, eine farbige Sängerin aus den USA zu begleiten. Er stimmte zu. Die Zusammensetzung der Band entsprach nicht den Vorstellungen der Künstlerin, nur das Posaunenspiel, das gefiel ihr – und der Mann, der das Instrument so meisterhaft beherrschte, offensichtlich auch. Gefunkt hat es dennoch erst viel später, bei einem ­Kirchenkonzert in Bremerhaven, bei dem er die vielbeschäftigte Sängerin begleitete. Inzwischen haben die beiden längst Silberhochzeit gefeiert und sind, wie sie überzeugend verkünden, immer noch so glücklich wie in ihren Anfangszeiten. So oft es geht, treten sie gemeinsam auf, Werner Gürtler begleitet seine „Jan“, wie er sie nennt, bei ihren Engagements, die sie häufig auch ins Ausland führen. Ihre Kinder sind inzwischen längst erwachsen. Wie die Eheleute betonen, lebt die gesamte Familie in einer großen und glücklichen Patch­work-Konstruktion“, obwohl Janices Kinder in Kalifornien zu Hause sind. „Wir lieben uns alle“, erklären beide mit dem Brustton der Überzeugung.
Werner Gürtler teilt mit seiner Frau nicht nur die Liebe zur Musik, die ihr Leben konstant begleitet. Er ist auch ein großer Naturfreund, wobei ihn vor allem die Ornithologie interessiert; die Mitgliedschaft im NABU ist für ihn also Ehrensache. Musik aber steht für ihn nach wie vor an erster Stelle. Ob Klassik, Jazz oder Blues – Hauptsache „handgemacht“, so sein Credo; technischer Sound, sprich: Techno, liegt ihm nicht. In diesem Zusammenhang kommt ihm ein sein Leben begleitendes Zitat in den Sinn: „Es kommt nicht darauf an, was man für Musik mag, es kommt nur darauf an, wie man sie macht“.(ilg)

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